GFG062- Die ersten 3 Monate als Führungskraft

Im heutigen Beitrag geht es um die ersten 3 Monate als Führungskraft. Der Auslöser zu diesem Thema war für mich eine Einladung von Judith Torma, an Ihrer Blogparade, die den gleichen Titel trägt, teilzunehmen. Hier gehts zum Audio.

Dieser Einladung nachzukommen, war für mich Ehrensache, denn damit kann ich  Judith etwas zurückgeben und Danke sagen für ihren wunderbaren Lampenfiebervortrag in meiner Führungskräfte-Challenge.

Darüber hinaus macht es mir aber auch große Freude zu diesem Thema Stellung zu nehmen, sind doch die ersten 3 Monate einer Führungskraft im neuen Job, im neuen Unternehmen oder sogar in der ersten Führungsverantwortung

ein ganz wichtiger, zentraler und  viel zu oft heikler Punkt.

Die ersten 100 Tage als Führungskraft, zu viele Führungskräfte scheitern

Besorgniserregend ist, dass nahezu 30% aller Führungskräfte in der neuen Position oder im neuen Unternehmen scheitern und viel zu oft  wird für dieses Scheitern der Führungskraft die Schuld gegeben.

Er oder sie hat´s nicht geschafft, er war doch nicht so gut wie wir dachten, sie hat sich ja hier überhaupt nicht eingegliedert.

So oder ähnlich hört man dann immer wieder die Kommentare.

Und bei den betroffenen Bewerbern herrscht anschließend großer Frust.

Probezeit = Probierzeit

Grund dafür ist auch, dass viele Unternehmen die Probezeit zu einer Probierzeit machen, mit fatalen Folgen für den eigenen Geldbeutel.

In diesem Beitrag möchte ich am Ende auch darauf eingehen, dass nicht immer nur die Führungskraft die Schuld an einem Scheitern trägt, sondern auch die Unternehmen reflektieren müssen, warum der gemeinsame Weg schief gegangen ist und warum dies möglicherweise zukünftig wieder geschehen wird.

Fehlbesetzungen kosten die Unternehmen ein Vermögen und viel zu selten werden diese Ausgaben vernünftig controlled. Zu leicht wird abgehakt, dass es nicht der richtige Bewerber war. Berechnungen sagen aus, dass eine Neubesetzung in den ersten sechs Monaten je nach zu besetzender Position zwischen 0,8-1,8 Jahresgehälter verschlingt. Darin sind enthalten die Kosten des Bewerberverfahrens, Zeit-und Reisekosten und auch die Zeit und Energie, die Sie bei Ihren Mitarbeitern in der Einarbeitungsphase binden. Sehr teuer, wenn man dieses Geld für die gleiche Stelle mehrfach ausgeben muss. Nach meinen Erfahrungen haben viele Unternehmen an dieser Stelle eine echte Geldverbrennungsmaschine etabliert. Aber dazu mehr am Ende dieses Beitrages.

Bedeutung für die Führungskraft

Beginnen wir zunächst bei den Führungskräften und ihren ersten 3 Monaten oder auch ihren ersten 100 Tagen im Unternehmen.

Woher kommt eigentlich diese 100 Tage Frist?

Die 100-Tage-Frist stellt eine Faustregel des Journalismus dar, wieviel Zeit man einem neuen politischen Amtsinhaber oder einer neuen Regierung zugesteht, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Erst nach 100 Tagen kommt es zu einer ersten Leistungsbewertung.

Ursprünglich ging diese Form von Stillhalteabkommen zwischen Presse und Politik auf den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zurück, der während der Weltwirtschaftskrise zum Präsidenten gewählt worden war. Er bat um eine Schonfrist von 100 Tagen, nach denen die Wirkung seines Reformpakets, dem“ New Deal“, erkennbar werden sollte.

Die ersten 100 Tage soll der neue Stelleninhaber nutzen, um sich mit den Abläufen seiner Aufgabe vertraut zu machen, erste Personalentscheidungen zu treffen und Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Da der Regierungsalltag komplex ist und Entscheidungen meist einen gewissen Vorlauf benötigen, lässt sich die Leistung der handelnden Personen nicht sofort nach ihrer Amtseinführung abschätzen. Traditionell wird das erste Resümee von Medien und Opposition darum erst nach Ende dieser Schonfrist gezogen.

Wie gesagt kommt diese 100-Tage-Frist aus dem Journalismus. Inzwischen ist sie zum Allgemeingut für die verschiedensten Funktionen und Verantwortlichkeiten geworden und als Schonfrist im Sprachgebrauch ebenso etabliert wie umstritten. Aber Personalentscheidungen nach drei Monaten mögen in der Politik üblich sein, bei Führungspositionen in Unternehmen halte ich sie für eher unwahrscheinlich, es sei denn es sind Unregelmäßigkeiten oder grobe Fahrlässigkeit aufgetreten. Von daher mein erster Tipp:

Sie müssen die ersten Personalentscheidungen nicht zwingend nach 3 Monaten fällen. Man sagt auch, nach zwei Jahren hat jede Führungskraft genau das Team was sie verdient. Da ist viel Wahres dran.

 Neue Aufgabe  – neue Lebensabschnitt

Für eine Führungskraft bedeutet eine neue Aufgabe, möglicherweise sogar verbunden mit einem Karrieresprung, einen ganz neuen Lebensabschnitt, vielleicht sogar einen Kulturwechsel.

Man verliert alte Kollegen, man lernt andere, neue Menschen kennen, man vermisst sein funktionierendes Netzwerk und weiß plötzlich nicht mehr auf wen man sich verlassen kann, bei wem man gegebenenfalls vorsichtig sein sollte und man verspürt darüber hinaus einen inneren Antrieb, allen zeigen zu wollen wie gut man ist. Dinge, die man im alten Unternehmen selbstverständlich getan hat werden jetzt beim neuen Arbeitgeber oder in der neuen Funktion ganz anders gesehen und stärker beäugt. Aussagen, die Sie in Ihrem Einstellungsgespräch zu Ihrem Verantwortungsbereich gehört haben, werden nun relativiert und bekommen von Ihrem neuen Line-Manager eine ganz andere Kontur.

Gehen Sie von solchen falschen Vorrausetzungen aus, können Sie sich an dieser Stelle ganz schnell vergaloppieren und der tolle neue Job sieht auf einmal gar nicht mehr so großartig aus.

Das Rad dreht sich immer schneller

Was Ihre Situation zusätzlich erschwert, ist das sich immer schneller drehende Rad. In den meisten Fällen wird da ein Einarbeitungsrahmen von drei Monaten schnell zur Makulatur. Als neue Führungskraft sollen Sie, bitte schön, schon viel schneller funktionieren, am besten sofort  und zwar zu 100%. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Frage, welche Rolle Sie innehaben. Sind Sie als Sanierer, also als Mann für den schnellen Turnaround geholt worden, oder braucht man Sie um langfristige Wachstumsstrategien zu entwickeln und zu begleiten? Oder als dritte Möglichkeit, ist es notwendig in einem schrumpfenden Markt als Verteidiger aufzutreten?

Diese unterschiedlichen Anforderungen bestimmen in der Regel auch die von Ihnen geforderte Geschwindigkeit. Als Sanierer erwartet man quasi ein vehementes, schnelles Eingreifen während in den anderen Fällen etwas mehr Behutsamkeit und Fingerspitzengefühl verlangt wird.

Sie sehen, wie schwierig es ist, hier einen belastbaren Zeitrahmen zu definieren.

Oft hört man Aussagen, dass eine Probezeit in drei Phasen gedrittelt werden sollte. Ich persönlich bin wenig davon angetan die Einarbeitungszeit in dieser Form aufzuteilen. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen, die Verantwortungsbereiche oder die Komplexität und in vielen Fällen reichen drei Monate bei weitem nicht aus, um Dinge gewinnbringend umsetzen zu können. Lassen Sie sich da nicht unter Druck setzen, denn Zeitdruck oder sogar Angst sind hier ganz schlechte Berater. Um Ihnen eine flexiblere Herangehensweise zu zeigen, habe ich die Probezeit für mehr Flexibilität in zwei Abschnitte geteilt und ich sage bewusst geteilt und nicht halbiert.

Führungskraft Erfolg

Das 2 Phasen Modell für die Probezeit

Der erste Abschnitt ist für mich die Kennenlernphase.

Sie sind in diesem Abschnitt dabei, alle möglichen Puzzleteile Ihrer neuen Aufgabe zusammenzutragen.

Dazu gehören der Start Ihrer Tätigkeit, Ihre Vorstellung im Unternehmen, das Kennenlernen Ihrer Kollegen und Mitarbeiter, das Kennenlernen der Organisation und der Struktur. Allein dies kann bei entsprechender Größe des Unternehmens schon Wochen dauern. Stellen Sie sich nur vor sie führen ein Team an verschiedenen Standorten vielleicht sogar remote. Lassen Sie sich auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn Sie zum Start einen perfekt ausgearbeiteten Einarbeitungsplan erhalten, dieser jedoch permanent kurzfristigen Änderungen unterworfen ist und am Ende halbfertig in einer Ablage landet. Machen Sie sich einfach bewusst, dass Sie für die Meisten Etablierten im Unternehmen als Neuer nur als ein Zeit-Dieb unterwegs sind. Nehmen Sie es also nicht zu persönlich.

Zeit für Ihre Mitarbeiter

Nehmen Sie sich vor allem aber Zeit für Ihre neuen Mitarbeiter. Finden Sie heraus, wie was gehandhabt wird. Stellen Sie Ihre Fragen, aber bewerten und versprechen Sie nichts. Halten Sie sich mit eigenen Ideen noch zurück. Seien Sie vor allem geduldig, sowohl mit sich selbst als auch mit den Mitarbeitern. Einerseits muss man sich aneinander gewöhnen, andererseits muss der Laden auch weiterlaufen. Stellen Sie sich einmal vor, Sie planen mit jedem Ihrer Mitarbeiter intensive Kennenlerngespräche und gleichzeitig werden wichtige Terminarbeiten nicht erledigt und bleiben liegen. Das glauben Sie nicht? Viele Mitarbeiter trauen sich einfach nicht Ihrem neuen Chef einen Termin abzuschlagen. Vergewissern Sie sich also, dass Sie hier nicht bei Ihren eigenen Vorgesetzten in die ersten Fettnäpfchen treten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten zu suchen und herauszufinden, was genau er von Ihnen erwartet, denn der entscheidende Faktor für Ihren Erfolg ist, dass Sie die Erwartungen Ihres Chefs erfüllen. Alles andere zählt bestenfalls untergeordnet.

Kommen wir nun zum zweiten Abschnitt, den ich die Handlungsphase nenne.

Sie beginnen nun, Ihr Ihr Puzzle zusammenzufügen. Sie ordnen die in der ersten Phase gewonnen Einsichten, vergleichen diese Einsichten mit Ihrem eigenen Erfahrungsschatz und fixieren und priorisieren Ihre Handlungsfelder. Gerade das Priorisieren ist sehr wichtig, denn Sie können nicht überall gleichzeitig durchstarten. Das überfordert Sie und überfordert die Organisation. Differenzieren Sie daher sehr genau zwischen short- term und long-term Strategien/ Veränderungen.

Hilfreich ist es, in Ihrem Verantwortungsbereich sofort eine Feedbackkultur zu etablieren. Das hilft Ihnen, die Erwartungen Ihrer Mitarbeiter richtig einzuordnen und die Umsetzung Ihrer Arbeit zu überwachen.

Das schließt für mich auch ein, dass Sie sich aktives Feedback von Ihrem Vorgesetzten holen und gezielt nachfragen in welchen Bereichen er noch mehr von Ihnen erwartet. Es ist durchaus möglich, dass die Dinge, die Sie bei sich für verbesserungsfähig halten von Ihrem Chef absolut positiv gesehen werden. Sie wissen ja z.B. gar nicht welche Stärken und Schwächen Ihr Vorgänger hatte. Mit diesen Informationen können Sie sich zunächst auf die Dinge konzentrieren, die Ihrem Chef wirklich am Herzen liegen und schließen die anderen Baustellen zu einem späteren Zeitpunkt.

Was können Unternehmen besser machen, damit der neue, gemeinsame Weg mit einer Führungskraft nicht vorzeitig scheitert?

Warum ist nicht immer die Führungskraft schuld wenn der Start holperig verläuft oder die neue Verbindung sogar scheitert?

In der Regel passen bei einem Scheitern die Erwartungshaltungen der beiden Seiten nicht zueinander.

Oft ist es so, dass auf der Unternehmensseite selbst Unklarheit über die Stelle und Funktion herrscht. Viele Fragen hat man sich häufig  gar nicht gestellt oder ist sich selbst im Unklaren, wie z.B.

  • Wie wird Erfolg in dieser Position definiert?
  • Welche Erwartungen sind an die Stelle geknüpft?
  • An wen berichtet der Stelleninhaber, intern und extern?
  • Welche Resultate müssen in der Funktion erbracht werden?

Viele Unternehmen suchen in den Stellenausschreibungen nach dem perfekten Allrounder mit gleichzeitiger perfekter fachlicher Qualifikation. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die fachliche Qualifikation i.d.R. sehr schnell aufzuholen ist, es jedoch viel schwieriger wird, wenn Werte von Unternehmen und Bewerber nicht zueinander passen.

Wenn Unternehmen im Vorfeld besser herausfinden, wie gut ein Bewerber wirklich passt, wird es später weniger Enttäuschungen geben, es werden hohe Kosten eingespart und die Zusammenarbeit wird über die 3 oder 6 Monate hinaus zusammenwachsen. Um dies zu erreichen, gilt es herauszufinden  wie ein Bewerber für diese neue Rolle tickt. Dabei geht es um Fragen wie

  • Menschenorientierung
  • Antreiber und Macher oder Bremser
  • Realist und Optimierer
  • Pionier, Unternehmer, Veränderungsmanager
  • Förderungswürdige Fachkraft mit Ambition
  • Der nüchterne Perfektionist
  • Sozialkompetenz
  • Negative Besserwisser
  • Realistischer Treiber mit Führungskompetenz
  • Veränderungsmanager mit Verletzlichkeit
  • Egozentrisches Denkmuster
  • Überidentifikation mit Aufgaben bzw. Funktion und Rollen

Wenn diese Dinge zwischen Unternehmen und Bewerber zusammenpassen, wird es später auf beiden Seiten weniger Enttäuschungen geben. Und wie gesagt, fachliche Qualifikation kann man schnell aufholen und nachholen. Die menschliche Passung ist viel entscheidender aber auch schwieriger.

Bedenken sollten die Unternehmen, neben allen Kosten, auch den Level an Frustration, den Sie in Ihrem Unternehmen mit einer Fehlbesetzung erzeugen können. Stellen Sie sich vor, wieviel Begeisterung Ihre Führungskräfte und Mitarbeiter entwickeln, wenn Sie zum dritten Mal in Ihrer Bewerberauswahl danebengelegen haben und nun der vierte Stelleninhaber angelernt werden soll. Da hat am Ende keiner mehr Lust, Energie und Zeit zu investieren und der neue Stelleninhaber wird dies deutlich zu spüren bekommen.

Mensch und Rolle müssen zusammenpassen

Gerade der Mangel an Spezialisten, Fach- und Führungskräften führt zukünftig zu viel mehr Selbstbewusstsein auf der Bewerberseite und steigert die Bereitschaft, mit den Füssen für oder gegen ein Unternehmen abzustimmen.

Soviel für heute zu dem Thema, „die ersten drei Monate als Führungskraft“. Ich hoffe ich konnte Ihnen als Bewerber und auch als Stellenanbieter ein paar Hinweise geben, wie ein Fundament für einen gelingenden gemeinsamen Weg aussehen kann. Sollten Sie dazu weitere Fragen haben, sei es als Bewerber oder als Unternehmer, schreiben Sie mir gerne oder rufen Sie mich an.

Damit schließe ich für heute und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche. Bleiben Sie gesund und achten Sie auf sich.

Bis zur nächsten Woche, Ihr Thomas Reining

Zum Abschluss noch das Zitat der Woche, heute von Charles Darwin, einem englischen Naturforscher.

    “Es ist nicht die stärkste Spezie die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.”

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